Das zweite Kapitel der Studie beschäftigt sich mit den Themen Partnerschaft, Familienstruktur und Arbeitsteilung. Bereits zu Beginn des Kapitels – in dem die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst sind - fallen etliche Dopplungen in den Aussagen zum vorherigen Kapitel auf. Dies ist für den Leser nicht nur verwirrend, sondern auch zeitraubend; schließlich hätte man etliche Seiten sparen können. Zudem werden unterschiedliche Aussagen gemacht. So heißt es beispielsweise „in den letzten 15 Jahren sind in Deutschland viele Frauen in den Arbeitsmarkt eingetreten.“[1] Während einige Seiten später dann steht: “In den letzten Jahrzehnten sind in Deutschland viele Frauen in den Arbeitsmarkt eingetreten.“[2] <Anmerkung: Nun liegen zwischen 15 Jahren und zwei Jahrzehnten lediglich Minimum 6 Jahre; und auch die ein oder andere Dopplung wäre hinnehmbar gewesen, jedoch nicht in der aufgetretenen Häufigkeit. Dies verwirrt und entnervt mich nicht nur während des Lesens; ich hätte von einer Studie der OECD auch eine deutlich höhere Qualität erwartet. An der Stelle an der steht: „Männer haben aufgrund höherer Erwerbseinkünfte und anderer Ressourcen, z.B. Bildung, bei Entscheidungen häufig ein größeres Mitspracherecht“[3]muss ich kurz an mich halten. Wie passt dies zu der bekannten, stetig gestiegenen Qualifikation der Frauen, die in allen 28 Ländern der EU im Alter zwischen 30 und 34 Jahren häufiger über einen hohen Bildungsabschluss als gleichaltrige Männer verfügen.[4] >
Zwischen 2000 und 2014 sind die Erwerbstätigenquoten der Frauen in Deutschland um über 11,3 Prozentpunkte gestiegen (im OECD Raum nur 4,7 Prozentpunkte), d.h. von 58,1% auf 69,5%. Deutschland hat damit heute die höchste Frauenerwerbstätigenquote im OECD Raum nach den nordischen Ländern und der Schweiz.[5] Die meisten Frauen sind jedoch teilzeitbeschäftigt. Mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Mütter mit Kinder unter 15 Jahren arbeitete im Jahr 2013 weniger als 30 Stunden. „In den neuen Bundesländern hat sich der Anteil der Teilzeitbeschäftigung unter den erwerbstätigen Müttern zwischen 1995 und 2012 fast verdoppelt, von 23% auf 44%.“[6] <Anmerkung: Das ist eine interessante Tatsache, da doch das öffentliche Kinderbetreuungsangebot in den neuen Bundesländern gerade in den Jahren bis zum starken Ausbau in den alten Bundesländern deutlich höher war. Bedauerlicherweise werden hier keine möglichen Erklärungen gegeben.>
Als einen Grund für ihre Teilzeitbeschäftigung geben Mütter an, dass sie einen großen Teil ihrer Zeit mit Haushalt und Kinderbetreuung verbringen. Eltern teilen sich meistens die unbezahlte Haus- und Familienarbeit nicht gerecht auf und Frauen leisten mehr unbezahlte Arbeit als ihre männlichen Partner. Dies ist kein rein deutsches Phänomen, sondern ist in allen OECD Ländern gleich; wenngleich es in den Ländern Unterschiede in der Verteilung gibt. Anmerkung: Hier habe ich vorgegriffen auf Kapitel 5 der Studie. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden die Anteile der unbezahlten Arbeit in Minuten angegeben. Frauen in Norwegen wenden demnach 210 Minuten für unbezahlte Arbeit auf; Männer 160 Minuten. Auf einen Haushalt bezogen müsste dies im Durchschnitt heißen, dass 370 Minuten am Tag für unbezahlte Arbeit aufgebracht werden. In Korea sind es dagegen nur 230 plus 45 Minuten, d.h. zusammen 275 Minuten. <Anmerkung: Auch hier hätte ich mir eine nähere Erklärung gewünscht. Werden in Korea mehr haushaltsnahe Dienstleistungen eingekauft oder übernehmen andere Familienmitglieder wie z.B. Großeltern oder Kinder einen Teil der Arbeit?>
„Die Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit unter den Eltern hat auch makroökonomische Auswirkungen. Die Länder, in denen die Geschlechterdifferenz bei der zeitlichen Aufteilung der Haus- und Familienarbeit am geringsten ist, weisen auch bei den Erwerbstätigenquoten die niedrigste Genderlücke auf, was erhebliche Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die sozioökonomische Gleichstellung hat.“[7]
„Arbeitszeitunterschiede zwischen Männern und Frauen tragen zu dem andauernden Lohngefälle zwischen Männern und Frauen auf nationaler Ebene und in den Haushalten bei.“[8] Anmerkung: Eine Erklärung zu dieser Aussage folgt nicht; hier ist sicherlich davon auszugehen, dass sich z.B. tariflich vereinbarte prozentuale Gehaltssteigerungen bei Teilzeitgehältern in absoluten Werten geringer niederschlagen und sich dieser Unterschied mit zunehmender Anzahl an Jahren in Teilzeit stetig vergrößert.
Der Anteil der Paare, die die Erwerbsarbeit mit 30 und 39 Stunden nahezu gleich aufteilen ist in Deutschland folglich gering mit 1,2%. Hier handelt es sich nicht um rein deutsches Phänomen; der Anteil liegt in 17 von 26 Ländern unter 5%. „Die in Deutschland am weitesten verbreitete Erwerbskonstellation in Paarfamilien ist, dass der Vater in Vollzeit beschäftigt ist, während die Mutter wenige Stunden in Teilzeit arbeitet oder gar nicht erwerbstätig ist“[9] […].
Umfragedaten gestatten es zwar nicht, genau zu bestimmen, welche Faktoren in Deutschland für die Präferenz für Teilzeitarbeit oder vollzeitnahe Beschäftigung ausschlaggebend sind, einige Faktoren wie kulturelle Prägungen, soziale Institutionen und Arbeitsmarktstrukturen dürften jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit eine Rolle spielen. Wie bereits im ersten Kapitel erwähnt, hat sich die Einstellung zur Erwerbstätigkeit von Müttern und zur Rollenverteilung in der Familie in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert. Das Modell des männlichen Alleinverdieners verliert insbesondere unter jüngeren Erwachsenen an Zustimmung, während eine stärkere Erwerbsbeteiligung der Mütter befürwortet wird. Dennoch ist in den alten Bundesländern immer noch ein Großteil der Bevölkerung der Meinung, dass Mütter — wenn überhaupt — nur in Teilzeit arbeiten sollten. Bezogen auf die Elternzeit, vertreten die meisten Menschen (die eine bezahlte Elternzeit grundsätzlich befürworten) die Meinung, dass diese von beiden Elternteilen in Anspruch genommen werden sollten und 40% finden, dass diese zu gleichen Teilen zwischen den Eltern aufgeteilt werden sollte. Was die kulturellen Faktoren anbelangt, so haftet erwerbstätigen Müttern in Deutschland nach wie vor ein Stigma an, was sich darin zeigt, dass sie teilweise immer noch abwertend als „Rabenmütter" bezeichnet werden, die sich nicht genug um ihre Kinder kümmern.
In einer Eurobarometer-Umfrage (2014), in der die Befragten drei Antworten auswählen konnten, wurde festgestellt, dass die Menschen in Deutschland Maßnahmen in den folgenden vier Bereichen für entscheidend halten, um die Zahl der erwerbstätigen Frauen zu erhöhen:
- sicherstellen, dass Frauen für die gleiche Arbeit genauso viel verdienen wie Männer (47%);
- mehr flexible Arbeitszeitregelungen (40%);
- Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Haushalts- und Betreuungsaufgaben erleichtern
- Verbesserung des Zugangs zu Kinderbetreuung (39%).
Interessant: „Müller und Blome (2013) haben eine quantitative Analyse der Auswirkungen durchgeführt, die die Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern im Zeitraum 1990-1999 auf die zwischen 1993 und 2007 durchgeführten familien- und arbeitspolitischen Reformen in elf europäischen Ländern hatten. Sie stellen eine positive Beziehung zwischen den Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern und den umgesetzten Politikmaßnahmen fest. In Ländern mit einer positiveren Einstellung zur Erwerbstätigkeit von Müttern waren die ergriffenen Maßnahmen mit größerer Wahrscheinlichkeit auf die Förderung von Doppelverdienerfamilien ausgerichtet. Weckström (2014) stellte außerdem fest, dass in mehreren Ländern eine starke Korrelation zwischen den Einstellungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern und dem Kinderbetreuungsangebot besteht. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der jüngste Ausbau des FBBE-Angebots die Rahmenbedingungen für die Erwerbstätigkeit von Müttern zwar eindeutig verbessert hat, per se aber nicht zu einer ausgewogeneren Aufgabenteilung zwischen den Partnern beiträgt, Solche Maßnahmen haben hauptsächlich zur Folge, dass Frauen mehr Zeit für Erwerbsarbeit haben, ohne Anreize zu setzen, dass die Väter sich stärker an der Kinderbetreuung beteiligen (Daly, 2011', Ciccia und Bleijenbergh, 2014).“[10]
2014 lebten rund 83,1% der Kinder in einem Haushalt mit zwei Elternteilen. Interessant ist, dass deutlich mehr Kinder in Deutschland bei verheirateten Eltern aufwachsen als in vielen anderen europäischen OECD-Ländern. 2014 lebten rund 75,6% der Kinder in Deutschland mit zwei verheirateten Elternteilen zusammen, verglichen mit weniger als 60% in Frankreich und vielen nordeuropäischen OECD-Ländern (Estland, Island, Norwegen und Schweden).[11] Gleichzeitig wachsen mehr Kinder bei zwei unverheiratet zusammenlebenden Elternteilen auf.
< Anmerkung: Hier hätte ich die Zahl der Eheschließungen und Scheidungsraten interessant gefunden; d.h. wachsen in Deutschland mehr Kinder bei verheirateten, leiblichen Eltern auf, weil mehr Eltern heiraten oder weil die Scheidungsraten geringer sind als in anderen OECD Ländern? Oder sind die Scheidungsraten zwar hoch, aber gleichzeitig auch die Wiederverheiratungsraten, so dass Kinder zwar häufig mit zwei verheirateten Elternteilen aufwachsen, ein Elternteil jedoch nicht das leibliche ist?>
Im nächsten Kapitel erfahren Sie mehr über die Maßnahmen seitens der Politik zur Förderung der Partnerschaftlichkeit in Deutschland.
[1] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 43 [2] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 50 [3] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 58 [4] Vgl. https://www.boeckler.de/61855.htm [5] Vgl. OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 50 [6] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 52 [7] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 42 [8] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 43 [9] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 52 [10] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 67 [11] Vgl. OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 44