„In den OECD-Ländern ist die Erwerbsarbeit nur selten gleich zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt. Erwerbsarrangements, bei denen beide Partner vollzeitnah arbeiten (hier definiert als zwischen 30 und 39 Wochenstunden), sind in Dänemark, Norwegen, Frankreich und Finnland am gängigsten.“[1]
„Für vollzeiterwerbstätige Mütter (mindestens 40 Stunden pro Woche) ist die Wochenarbeitszeit in Österreich, der Schweiz und Deutschland am längsten, während sie in Frankreich und den nordischen Ländern relativ kurz ist. Die Mehrheit der in einer Partnerschaft lebenden Mütter arbeitet in Dänemark, Finnland, Frankreich und Norwegen zwischen 35 und 39 Stunden. In Island und Schweden sowie in den Vereinigten Staaten leisten die meisten in einer Partnerschaft lebenden Mütter zwischen 40 und 44 Wochenstunden.“[2]
An dieser Stelle habe ich zwei Zitate aneinander gereiht, weil ich diese Abschnitte mehrmals lesen musste und doch zu keiner für mich verständlichen Aussage komme: Bedeutet dies, dass die Wochenarbeitszeit für vollzeiterwerbstätige Mütter in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland höher ist? Und wenn ja, wieviel Stunden arbeiten dann vollzeiterwerbstätige Mütter in den Ländern mehr als in den skandinavischen Ländern? Die Angabe zwischen 35 und 39 Stunden bezieht sich ja nicht auf die Vollzeiterwerbstätigkeit, denn im o.g. Zitat werden 30-39 Stunden als „vollzeitnah“ beschrieben. Abgesehen von der Unklarheit der Aussage, wäre es aus meiner Sicht deutlich sinnvoller gewesen, zu Beginn erstmal zu definieren, was denn Vollzeit eigentlich in jedem Land durchschnittlich bedeutet (bedingt durch rechtliche Rahmenbedingungen, Tarifverträge o.ä.). Daraufhin könnte man dann jeweils die Abweichungen in Prozent ausdrücken. Es macht doch keinen Sinn, Stundenanzahlen zu vergleichen und von Voll- bzw. Teilzeit zu sprechen, wenn dies in den Ländern mit unterschiedlichen Definitionen verbunden ist. Etliche Seiten später lese ich dann, dass das mit „Teilzeit" assoziierte Erwerbsvolumen in den Ländern und in den Wirtschaftssektoren der Länder stark variiert, da es dem selbst angegebenen Status der Teilzeitbeschäftigung entspricht; heißt einer geringeren Stundenzahl als bei Normalarbeitsverhältnissen von „typischen" Beschäftigten.[3] Wiederum etliche Seiten später die Aussage: „Im Durchschnitt arbeiten vollzeiterwerbstätige Mütter in Deutschland nahezu 42 Stunden pro Woche und werden nur von Müttern in der Schweiz und Österreich mit rd. 44 Wochenstunden übertroffen. In Norwegen, Dänemark und Frankreich arbeiten vollzeiterwerbstätige Mütter hingegen im Durchschnitt weniger als 40 Stunden pro Woche. Vollzeiterwerbstätige Väter haben in Deutschland mit knapp über 45 Stunden ebenfalls eine relativ lange Wochenarbeitszeit, die zwar über dem europäischen Durchschnitt, aber unter der wöchentlichen Arbeitszeit in anderen europäischen Ländern wie Österreich, der Schweiz und Polen liegt. Väter in Norwegen, Dänemarks, Schweden und Finnland arbeiten ihrerseits weniger Stunden als der europäische Durchschnitt, jedoch noch immer mehr als 40 Wochenstunden. Relativ kurze regelmäßige Wochenarbeitszeiten in Vollzeitarbeitsverhältnissen sind daher in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland sowohl unter Frauen als auch unter Männern verbreitet.“[4] Warum werden diese Angaben nicht schon auf den Seiten vorher gemacht? Mir scheint es, als werden bestimmte Angaben an Stellen gemacht (oder eben nicht), um gewünschte Wirkungen zu erzielen. Meiner Meinung nach ist es nicht wissenschaftlich genug, da es mir vorkommt, als soll der Leser verwirrt oder beeinflusst werden.
Durcheinander komme ich vollends als ich folgende Aussage lese: „In Frankreich und Schweden leistet ein nicht unerheblicher Teil der in einer Partnerschaft lebenden Väter mindestens 45 Wochenstunden.“ [5] Und: „Der geringe durchschnittliche geschlechtsspezifische Unterschied bei der Wochenarbeitszeit in den nordischen Ländern und Frankreich ist auf die relativ lange Wochenarbeitszeit teilzeitbeschäftigter Frauen und die relativ kurze durchschnittliche Wochenarbeitszeit vollzeitbeschäftigter Väter und Mütter zurückzuführen.“[6] Vielleicht muss der Leser mehr auf die Wortwahl nicht unerheblicher Teil, verbreitet, im Durchschnitt, relativ lange, relativ kurze achten; ich bin ehrlich gesagt verwirrt.
Mütter in Deutschland, die in einer Partnerschaft leben und in Teilzeit beschäftigt sind, arbeiten durchschnittlich 20 Stunden pro Woche. In den nordischen Ländern oder Frankreich sind dies im Durchschnitt 10 Stunden mehr. Als Hauptgründe, dass diese in Deutschland nicht in Vollzeit arbeiten, werden Hausarbeit, Kindererziehung oder Pflegeaufgaben genannt. Interessant ist hier aber die einige Abschnitte später gemachte Aussage: „In […] Länder […] wo viele Frauen langfristig teilzeitbeschäftigt sind — ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Mütter in Vollzeit arbeiten, wenn ihr Partner ein relativ hohes Erwerbseinkommen bezieht. In diesen Ländern reduzieren viele Mütter offenbar ihre Arbeitszeit, sobald es sich die Familie finanziell leisten kann.“ [7]Was sind denn nun die Gründe, warum diese Mütter dann mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin Teilzeit arbeiten: Weil sie Hausarbeit, Kindererziehung oder Pflegeaufgaben leisten, und sich dies nicht mit einer Vollzeittätigkeit vereinbaren lässt oder weil es sich die Familie leisten kann, wenn die Mutter in Teilzeit arbeitet oder weil die Mütter nicht mehr arbeiten wollen? Interessant ist auch, dass der Anteil an Frauen in Deutschland, die in Teilzeit arbeiten, mit zunehmendem Alter zunimmt und in den ältesten Altersgruppen beträchtlich ist.[8]
„[…] bedeutet dies, dass Frauen in Deutschland nicht mehr in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren, sobald sie einmal in Teilzeit arbeiten. Sie scheinen tatsächlich in einer „Teilzeitfalle" festzustecken.“[9] Eine Seite später jedoch, wird diese Aussage dahingehend abgeschwächt, dass von Rückkehr in Vollzeit von können/ oder wollen gesprochen wird. Hier hätte ich mir eine konkrete Aussage gewünscht: Können Frauen nicht mehr zurück in Teilzeit und stecken in einer Teilzeitfalle oder wollen sie nicht mehr zurück in Vollzeit? Oder vielleicht beides? Was sind die Gründe? Mehrere Seiten später lese ich dann, dass im Durchschnitt der europäischen Länder „weniger als 10% der in einer Partnerschaft lebenden Mütter, die weniger als 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sind, als Grund für ihre Erwerbssituation [angeben], dass sie keine längere Arbeitszeit wünschen.“[10] Also doch eine Teilzeitfalle? Oder doch die unbezahlte häusliche Arbeit? Letztere wird in Deutschland von 65,2% als Haupthindernis gesehen; aber auch in Frankreich mit 59% sowie in den Niederlanden, dem vereinigten Königreich und Belgien. Als zweithäufigster Grund für eine Arbeitszeit unter 30 Stunden wird die Arbeitsnachfrage genannt. Viele in einer Partnerschaft lebende Mütter möchten mehr arbeiten, können aber nicht den richtigen Arbeitsplatz finden. Diese Angabe gilt jedoch nicht für Deutschland. Hier sind die Gründe, wie o.g. genannt , Hausarbeit, Kindererziehung oder Pflegeaufgaben.
Partnerschaftliche Aufteilung
„Im Idealfall sollte eine partnerschaftliche Aufgabenteilung in der Familie auch beide Partner in die Lage versetzen, ein angemessenes Haushaltseinkommen sicherzustellen und Zeit miteinander zu verbringen. Dennoch ist der Arbeitszeitunterschied zwischen den Partnern — die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden des Mannes abzüglich der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden der Frau in Paaren, in denen der Mann erwerbstätig ist — in der Regel erheblich. Angesichts der Tatsache, dass Mütter in Deutschland so häufig weniger als 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sind und Väter lange Arbeitswochen haben, ist die Differenz bei der Wochenarbeitszeit unter den Partnern in Deutschland zusammen mit Österreich und der Schweiz mit über 25 Stunden am größten.“ [11]
Meinen Rechenfähigkeiten zufolge müsste es hier „knapp über 25 Stunden“ heißen: 20 Stunden arbeiten Mütter im Durchschnitt und Väter knapp über 45 Stunden. Das macht keinen großen Unterschied, doch die Aussagen unterscheiden sich meiner Meinung nach hierdurch. Wörter wie knapp, fast, die meisten, die wenigsten, relativ führen in dieser Studie an verschiedenen Stellen zu Aussagen, die unter sonst gleichen Angaben unterschiedliche Schlussfolgerungen zulassen.
Einen weiteren Widerspruch entdecke in ich den folgenden Aussagen:
„Der geringe durchschnittliche geschlechtsspezifische Unterschied bei der Wochenarbeitszeit in den nordischen Ländern […] ist auf die relativ lange Wochenarbeitszeit teilzeitbeschäftigter Frauen und die relativ kurze durchschnittliche Wochenarbeitszeit vollzeitbeschäftigter Väter und Mütter zurückzuführen.“[12]
[..] während in Schweden, Island […] die wöchentliche Arbeitszeit von Müttern zwischen 40 bis 44 Stunden liegt.[13] 40 bis 44 Stunden sind doch keine kurze Wochenarbeitszeit. Vollzeiterwerbstätige Väter haben in Deutschland mit knapp über 45 Stunden ebenfalls eine relativ lange Wochenarbeitszeit.
Ggf. habe ich hier etwas überlesen und nur 45 Stunden und mehr gelten als lange; für mich in jedem Fall in den Aussagen nicht stimmig.
Klar ist, dass kürzere Arbeitszeiten mit weniger Gehalt einhergehen. Aufgrund des hohen Grades an Teilzeitbeschäftigungen von Müttern in Deutschland tragen diese „durchschnittlich nur ein Viertel zum Einkommen der Haushalte bei [..] der entsprechende Anteil in Frankreich, Schweden, Dänemark [liegt bei] über 35%.“[14] Hinzu kommt, dass teilzeitbeschäftigte Frauen „[…] auch mit größerer Wahrscheinlichkeit einen geringeren Stundenlohn als vollzeitbeschäftigte Männer [beziehen]. Der Rangplatz vieler Länder nach der Höhe des Einkommensgefälles innerhalb der Paare deckt sich weitgehend mit ihrem Rangplatz nach der durchschnittlichen Differenz zwischen den Bruttostundenlöhnen von Männern und Frauen, bezogen auf alle Beschäftigte.“[15]
Geringere Erwerbsjahre sowie ein geringerer Stundenumfang tragen auch zu Unterschieden in der Rentenhöhe bei: Die Rentenansprüche von Frauen aus der gesetzlichen Altersversicherung waren im Jahr 2011 durchschnittlich 28% niedriger als die der Männer.[16]
Nicht nur die Anzahl der Arbeitsstunden sind im Ländervergleich unterschiedlich, sondern auch die Lage der Arbeitszeit. „In deutschsprachigen Ländern arbeiten Mütter häufig die ganze Woche halbtags, während die Teilzeiterwerbstätigkeit von Müttern in den nordischen Ländern und Frankreich — im Durchschnitt über 25 Wochenstunden - eher einer vollzeitnahen Beschäftigung gleicht, bei der Mütter entweder nur an bestimmten Tagen arbeiten oder eine kürzere tägliche Arbeitszeit haben. In Frankreich ist es beispielsweise üblich, dass Teilzeitbeschäftigte vier von fünf Tagen erwerbstätig sind, wobei Mütter junger Kinder mittwochs nicht arbeiten, da die Schulen im Elementar- und Primarbereich bis vor kurzem mittwochs geschlossen waren.“ [17] In Schweden können Eltern durch flexible Arbeitszeitregelungen am Nachmittag gehen, um ihre Kinder abzuholen.
„Aufgrund der begrenzten Öffnungszeiten von Schulen, Kindergärten und Kindertagesstätten sind teilzeitbeschäftigte Mütter in deutschsprachigen Ländern hingegen gezwungen, nur halbtags zu arbeiten Trotz der Anstrengungen, mehr in Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuungseinrichtungen zu investieren, sind die meisten Schulen des Primar- und Sekundarbereichs in Deutschland nachmittags noch immer geschlossen. Von den Eltern (d.h. in der Regel von den Müttern) wird erwartet, dass sie am Nachmittag für ihre Kinder Lern und Freizeitaktivitäten organisieren, weil die Kinder sonst allein zu Hause wären.“[18] Für Investitionen in Kinderbetreuung, d.h. für Maßnahmen, die es Eltern leichter machen, Familie und Beruf zu vereinbaren, wurde ein positiver Effekt auf die Erwerbsbeteiligung der Frauen nachgewiesen. „Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote zu einem deutlichen Anstieg der Erwerbsbeteiligung der Frauen führt und einen stärkeren positiven Einfluss auf die Frauenerwerbstätigkeit hat als Unterschiede bei der Dauer der bezahlten Elternzeit. Das Betreuungsangebot für Kinder unter 3 Jahren hat sich zwischen Mitte der 1990er Jahre und Ende der 2000er Jahre im Durchschnitt verdoppelt, was mit einem Anstieg der Erwerbstätigenquote der Frauen im Alter von 25-54 Jahren um schätzungsweise 2,5 Prozentpunkte — ein Viertel des insgesamt zwischen 1995 und 2008 verzeichneten Anstiegs — verbunden war.“[19] Neben den familienfreundlichen Maßnahmen wird die Erwerbsbeteiligung der Frauen durch weitere Faktoren beeinflusst, wie z. B. den Anstieg ihres Bildungsniveaus, Veränderungen des Arbeitsmarkts, sowie das Steuersystem. Der Effekt der Maßnahmen wiederum variiert mit dem Bildungsniveau der Frauen. „Cipollone et al. (2015) stellen fest, dass Kinderbetreuungsbeihilfen und kinderfreundliche Maßnahmen positive Auswirkungen auf die Erwerbsquoten 25- bis 34-jähriger Mütter mit mittlerem bis hohem Bildungsniveau hatten. Für Frauen mit geringem Bildungsniveau wurde jedoch kein Effekt festgestellt.“
Im nächsten Artikel lesen Sie: „Aufteilung der unbezahlten Arbeit zwischen den Partnern“
[1] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 137
[2] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 137
[3] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 143
[4] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 147
[5] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 150
[6] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 148
[7] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 137
[8] Vgl. OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 139
[9] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 139f.
[10] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 144
[11] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 150
[12] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 148
[13] Vgl. OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 149
[14] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 154
[15] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 155
[16] Vgl. OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 157
[17] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 143
[18] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 143f
[19] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 159