Zusammenfassung des 6. und letzten Kapitels der OECD Studie zum Thema Partnerschaftlichkeit
Das letzte Kapitel der OECD Studie befasst sich mit dem Vergleich des Geburtenverhaltens in Deutschland und Frankreich. „Ziel ist es zu untersuchen, wie Deutschland sich von den französischen Praktiken und Politikern inspirieren lassen könnte, um die partnerschaftliche Aufgabenteilung in Familie und Beruf zu stärken und so dafür zu sorgen, dass sich beruflicher Erfolg und Elternschaft besser vereinbaren lassen.“[1] <Anmerkung: Auch dieses Kapitel wimmelt wieder von Dopplungen, die das Lesen erschweren und verlängern. Ich versuche, mich in der Zusammenfassung auf das Wesentliche zu beschränken.>
Weil durch eine gute Partnerschaftlichkeit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessert wird, kann mehr Partnerschaftlichkeit auch höhere Geburtenraten fördern. Interessant ist, „dass die Länder mit einer höheren Erwerbstätigenquote der Frauen auch zur Gruppe der Länder gehören, in denen die Geburtenraten bei nahezu 2 Kindern je Frau liegen.“[2]
„Als entscheidende Faktoren für die Differenz zwischen den Geburtenraten in Frankreich und Deutschland werden die Auswirkungen der Mutterschaft auf die Erwerbstätigkeit und die Arbeitsstundenzahl der Frauen sowie die unterschiedlichen Einstellungen in den beiden Ländern zur Aufteilung von Erwerbsarbeit und Kindererziehung innerhalb der Paare identifiziert.“[3]
Die Unterschiede im Geburtenverhalten in beiden Ländern drücken sich auch in der endgültigen durchschnittlichen Kinderzahl aus, denn Frauen in Deutschland haben durchschnittlich weniger Kinder: Der Anteil mit zwei oder mehr Kindern liegt in Deutschland bei 39%, in Frankreich bei 44%.
Der wichtigste Umstand ist allerdings, dass in Frankreich wesentlich weniger Frauen bis zum Ende ihres gebärfähigen Alters kinderlos bleiben als in Deutschland. In Frankreich bleiben nur 13% der Frauen kinderlos. In den neuen Bundesländern ist dies in etwa gleich; in den alten Bundesländern sind rund 23% der in den späten 1960er und/oder frühen 1970er Jahren geborenen Frauen kinderlos.
„Kinderlosigkeit kann in Deutschland mit verschiedenen Faktoren in Zusammenhang gebracht werden Die Wahrscheinlichkeit der Kinderlosigkeit ist höher unter Frauen mit hohem Bildungsniveau und ohne Migrationshintergrund, die Vollzeit arbeiten und in städtischen Räumen leben. Der Kinderlosenanteil ist beispielsweise unter Frauen mit niedrigem Bildungsniveau mit 15% fast halb so hoch wie unter Frauen mit Hochschulabschluss (27%), wobei Frauen mit Migrationshintergrund einen großen Teil der Frauen mit niedrigem Bildungsniveau stellen. In westdeutschen Städten beträgt der Anteil der Kinderlosen unter Frauen mit hohem Bildungsniveau ohne Migrationshintergrund 38%, und er erhöht sich auf 48%, wenn diese Frauen zudem in Vollzeit arbeiten.“[4]
Somit „hat das deutlich gestiegene Bildungsniveau der Frauen zur Folge, dass sich für sie die Kosten einer Unterbrechung der beruflichen Laufbahn wegen Schwangerschaft und/ oder Kindererziehung erhöhen. Zweitens ist es für Frauen angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Instabilität sowie des Risikos der Trennung vom Partner zunehmend wichtig, ihre Arbeitsmarktsituation zu sichern, bevor sie eine Familie gründen.“[5]<Anmerkung: Ich habe eine These bezüglich des 2008 geänderten Unterhaltsrechts in einem Interview mit der Scheidungsanwältin Helene Klar gelesen, die mich zumindest nachdenklich stimmt. Sie sagt: „Wenn man wirklich wollte, dass Frauen dem Arbeitsmarkt erhalten bleiben, müsste man die Unterhaltsansprüche erhöhen und nicht abschaffen. Wenn es für den Mann nach der Trennung teurer wird, weil sie nicht erwerbstätig ist, wird er sagen, ich bringe die Kinder in den Kindergarten und Du arbeitest weiter. Denn wenn beide gleich verdienen, muss er nie Unterhalt zahlen. Aber er muss vorher was dafür leisten.“[6] >
Die Kinderlosigkeit in Deutschland wird in der Studie auf eine schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zurückgeführt, denn „eine nicht unerhebliche Zahl von Frauen, die eine berufliche Karriere verfolgen wollen, bleibt kinderlos.“[7] <Anmerkung: was bedeutet hier „eine nicht unerhebliche Zahl“? Hier hätte ich mir Zahlen gewünscht um mir als Leser selbst ein Bild zu machen, ob die Zahl nun groß oder klein ist.>
Eine niedrige Fertilität und Kinderlosigkeit sind jedoch nicht immer Ausdruck persönlicher Präferenzen. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland ist der Anteil der Frauen, die Kinderlosigkeit für sich persönlich als „ideal" betrachten, gering: Er beträgt 3% in Frankreich und 7% in Deutschland und ist somit deutlich geringer als der tatsächliche Anteil der Kinderlosen. Daraus kann geschlossen werden, dass viele Frauen in Frankreich, vor allem aber in Deutschland, ungewollt kinderlos sind.
„Ein weiterer Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland betrifft die ideale Kinderzahl. 2011 gab in Frankreich ein großer Teil der Frauen (45%) an, dass sie gerne mindestens drei Kinder hätten. In Deutschland betrug der entsprechende Prozentsatz nur 18%. Dort gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie zwei Kinder als ideal betrachten. [… ] seit Anfang der 2000er Jahre [erfolgt] eine Zunahme der Zahl der Kinder, die Erwachsene eigenen Angaben zufolge gerne hätten.“ Dies wird mit einer veränderten Wahrnehmung in Verbindung gebracht: „2013 betrachteten 33% der Deutschen ihr Land als kinderfreundlich, 2007 betrug dieser Anteil nur 25%, 2013 fühlten sich weniger Eltern von Kindern unter 3 Jahren finanziell eingeschränkt (48% gegenüber 36%), und der Anteil derjenigen, die es schwer fanden, Betreuung für ihre Kinder zu finden, war deutlich gesunken — von 29% im Jahr 2007 auf 13% im Jahr 2013.“[8]
Die Erwerbstätigenquoten der Frauen sinken in beiden Ländern mit steigender Kinderzahl, allerdings mit dem Unterschied, dass Mütter mit 1 oder 2 Kindern in Frankreich mit wesentlich größerer Wahrscheinlichkeit erwerbstätig sind. Dies gilt auch für Mütter mit Kindern im Vorschulalter. Es sind zwar kaum noch Unterschiede bei den Erwerbstätigenquoten festzustellen, sobald das jüngste Kind in die Schule kommt; in der Zahl der Arbeitsstunden bestehen jedoch weiterhin Unterschiede. <Anmerkung: Die gesamte Studie – wie auch die politische Diskussion in Deutschland – beschäftigt sich meiner Meinung nach viel zu wenig mit den Themen von Eltern schulpflichtiger Kinder. Es scheint, als wäre die Familienpolitik auf Eltern mit kleinen Kindern beschränkt. Auch die Studie geht der Frage nach möglichen Ursachen für die unterschiedliche Anzahl von Wochenstunden erwerbstätiger Frauen mit schulpflichtigen Kindern leider nicht nach. In nur wenigen Sätzen, die etliche Seiten später folgen, wird festgestellt, dass außerschulische Betreuung in Frankreich besser ausgebaut ist und die Schulzeiten in Frankreich deutlich länger sind als in Deutschland.>
Mit der Anzahl der Wochenarbeitsstunden ist ein hoher Anteil der beschäftigten Frauen in Deutschland, die mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten und deren Partner ebenfalls in Vollzeit arbeitet, nicht zufrieden: Fast 3/4 würden gerne weniger arbeiten. In Frankreich (48%) sowie in Finnland, Norwegen und Schweden (rd. 40%) ist der Anteil deutlich niedriger. Frauen wünschen sich, dass ihr Partner durchschnittlich deutlich mehr Stunden pro Woche arbeitet als umgekehrt. Es ist anzunehmen, dass dieser Wunsch mit der in Deutschland stärker als in Frankreich vorherrschenden Ansicht einhergeht, „dass Männer sich erst einmal ein stabiles Einkommen sichern sollten, bevor sie heiraten und Kinder in die Welt setzen.“[9] Neben dem stabilen Einkommen haben „das Bildungsniveau und der Verdienst des männlichen Partners in Deutschland einen wesentlich größeren Einfluss auf das Geburtenverhalten […] als in Frankreich. Einkommensunterschiede zwischen den Partnern haben in Frankreich bei sonst gleichen Bedingungen keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Elternschaft. In Deutschland hingegen, wo der Verdienst des Mannes häufig als entscheidend für die erforderliche Einkommenssicherheit betrachtet wird, um Kinder zu haben, steigt die Wahrscheinlichkeit der Elternschaft erheblich, wenn der Mann deutlich mehr verdient als die Frau. Dieser starke Einfluss des Verdiensts des Mannes auf das Geburtenverhalten erklärt sich daraus, dass die Vorstellung, wonach der Mann für den Unterhalt der Familie aufkommen muss, sowie traditionelle Geschlechterrollen und Verhaltensmuster in Deutschland noch deutlich stärker verbreitet sind als in Frankreich.“[10]
Laut Studie könnten folgende Aspekte die Geburtenraten erhöhen:
- Das gesetzte Ziel für den Ausbau des Kinderbetreuungsangebots. Eine Betreuungsquote von 39% könnte die Geburtenziffer von 1,4 auf 1,55 Kinder je Frau erhöhen.
- Die Einführung eines vom Vater zu nehmenden Teils der Elternzeit. Denn diese schien in Schweden – anders als in Norwegen - zu einem erheblichen Anstieg der Fertilität geführt zu haben. Insbesondere wurde ein deutlicher Anstieg der Häufigkeit der Geburt eines zweiten oder dritten Kindes verzeichnet, vor allem in Niedrigeinkommenshaushalten.
- Veränderungen der Beschäftigungsstrukturen. Diese gestatten Eltern, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.
- Eine geschlechtergerechtere Aufteilung von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung zwischen Müttern und Vätern.[11] Wenn Paare bereits ein Kind haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein zweites Kind bekommen, wenn sich die Väter stärker um die Kinder kümmern.
[1] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 211
[2] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 214
[3] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 213
[4] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 217
[5] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 219
[6] Familien, Süddeutsche Zeitung Magazin, 2016, S.159
[7] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 217
[8] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 218
[9] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 223
[10] OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 225
[11] Vgl. OECD „Dare to Share – Deutschlands Weg zur Partnerschaftlichkeit in Familie und Beruf“, 2016, S. 226f.